DJ in Bremen während Corona
Dies ist der Statusbericht eines DJ s in Bremen während der Corona-Pandemie 2020.
Als DJ lebt man vor allem von den Hochzeiten von März bis einschließlich Oktober. Corona begann genau am Anfang dieser Hochzeits-Saison.
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Die Anfänge
Es war Januar 2020 und man hörte bereits in den Nachrichten von Coronafällen in China und die ersten zwei Fälle wurden in Italien bekannt. In China wurde schon alles dicht gemacht und man dachte sich noch: „Sowas können die vielleicht in China machen, aber in einem demokratischen und freien Land wie Deutschland wäre das nie im Leben möglich, egal wie schlimm die Krankheit ist“.
Am 22. Februar begann Italien dann tatsächlich mit einem regionalen Lockdown. Mir war genau zu diesem Zeitpunkt klar, dass es auch sehr Zeitnah in Deutschland riesige Einschränkungen geben würde. Offenbar konnte man die Leute auch in freien, demokratischen Ländern in ihren Häusern einsperren, sobald die Gesellschaft dahinterstehen würde.
In Stuhr, hier im Bremer Umland, war das Thema noch lange nicht angekommen. Man berief weiterhin einen Elternabend ein, plante ein Kindergartenfest für Mitte April und hatte keinerlei Bedenken. Corona war noch nicht in dieser Realität angekommen. Ich dachte mir die ganze Zeit auf diesem Elternabend: „Wofür planen wir das hier eigentlich? Das wird nie und nimmer stattfinden…“ Als ich meine Bedenken äußerte bekam ich skeptische Blicke und einen recht verständnislosen Kommentar als Antwort. Aber gut – dann lass uns weiterplanen, schaden wird es nicht.
Am 15. März durfte ich noch ein letztes Mal als Hochzeits-DJ in Bremen auflegen, obwohl bereits klar war, dass ab Montag die Schulen und Kitas dicht machen würden und unwesentlich später auch ein Lockdown ausgerufen wird. Man gab sich schon jetzt nicht mehr die Hand, aber feiern war halt noch erlaubt gewesen. Die Gastro machte dann auch zeitnah komplett dicht.
7 Monate wegen Corona ohne DJ Einkommen
Es kam so, wie es kommen musste. Fast alle meine Kunden riefen der Reihe nach an oder schrieben Mails und stornierten ihre Hochzeiten und Parties. Manche leider vorschnell und in diesem Fall bekam ich eine Stornogebühr von 100€. Die meisten stornierten aber gebührenfrei, erst als höhere Gewalt vorlag. Zu dieser Vorgehensweise habe ich meinen Kunden auch geraten. Eine Stornogebühr berechne ich wirklich höchst ungerne, aber es ist nunmal als DJ überlebensnotwendig, die Termine mit Stornogebühren abzusichern.
Schnell hatte die Politik Hilfen zugesichert. Doch wie sich herausstellte waren diese Hilfen nur zum Ausgleich einer negativen Geschäftsbilanz da und nicht um die eigene Krankenversicherung zu bezahlen, oder den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Somit erhielt ich keine Corona-Staatshilfen, denn Geschäftskosten habe ich nicht viele.
Man riet mir dazu Hartz 4 zu beantragen, was ich dann auch machte. Nach 4 Tagen Arbeit hatte ich nun endlich alle Unterlagen zusammen. Der Papierstapel war zwei Finger dick und passte nicht mehr in einen DinA-4 Umschlag. Also schickte ich zwei Umschläge los. Sie wollten wirklich alles über mich und unsere Familie wissen.
Die Antwort war ernüchternd: Leider wurde das Einkommen meiner Freundin angerechnet, so dass mir am Ende pro Monat nur ca. 125 Euro zustanden. Von April bis einschließlich August (also 5 Monate) waren das immerhin insgesamt 600 €. Im September wird es den Corona Kindergeld-Bonus von *sage und schreibe* 200 € geben. Weitere 100€ Corona Kindergeld-Bonus kommen später noch dazu.
Außerdem lag mir die Frau vom Jobcenter im Nacken. Ich solle doch bitte einen Job annehmen und anfangen mich zu bewerben. Vielleicht hat sie Recht und die Lage ist hoffnungslos. Aber natürlich höre ich nicht auf sie und verzichte lieber von nun an auf das Hartz4.
Ich saß die ganze Zeit natürlich nicht untätig rum, sondern versuchte mein Business breiter aufzustellen. Ich programmierte mir eine nigel-nagel-neue, mega coole Webseite mit allem Schnick-Schnack für https://nickotronic.de, verfasste Online-Blog-Beiträge, um mich SEO-technisch bei Google besser zu positionieren, eröffnete einen separaten Online-Shop in welchem man Samples kaufen kann und sehr bald werde ich ein eigenes Musiklabel mit meinem Geschäftspartner gründen. Leider werden solche Geschäftserweiterungen erstmal nicht direkt mit einem Geldregen belohnt. Man muss am Anfang eher noch draufzahlen.
Zaghafte Lockerungen
Ab Juli fing die Politik endlich an, die Einschränkungen etwas aufzulockern. Dabei hatte jedes Bundesland seine eigenen Regeln. Bremen erlaubte Feiern mit 250 Gästen, ohne Mundschutz, tanzen mit Abstand und in Niedersachsen sind es nur 50 Gäste. Verstörend ist für mich als DJ, dass die Länder mit den höchsten Infektionszahlen, wie Bayern und NRW, die lockersten Regelungen haben.
So durfte ich im August eine einzige Hochzeit mit 50 Gästen in Bad Bederkesa bespielen, welche noch nicht abgesagt war. Die Hochzeit war ein voller Erfolg! Es gab natürlich keine Corona-Infektionen, die Regeln wurden größtenteils eingehalten und ich hatte nicht das Gefühl, dass das Brautpaar auf dieser Hochzeit irgendwelche Kompromisse eingehen musste. Immerhin war die Tanzfläche groß, eng tanzen und auf der Tanzfläche anbandeln ist auf Hochzeiten sowieso nicht wirklich häufig der Fall und Paartanz war innerhalb der Haushalte natürlich möglich. Hinzu kommt, dass die Hochzeit sowieso nur mit 50 Gästen geplant war.
Ich möchte an dieser Stelle dafür werben: Lasst die Hochzeiten wieder unter diesen Bedingungen stattfinden. Aber auch mit 100 Gästen tritt man sich in einer halbwegs großen Location nicht beim tanzen auf den Füßen rum. Mit ein wenig Abstand tanzen ist echt nicht schlimm und Paartanz ist innerhalb der Haushalte wie gesagt möglich.
Der August war leider ein Komplettausfall, weil alle Kunden bereits vorher abgesagt hatten oder Parties mit nur 50 Gästen nicht hinnehmen wollten. Im September werde ich 3 Hochzeiten bespielen, wenn alle dabei bleiben und die Regeln sich nicht wieder ändern sollten. Zwei Hochzeiten stehen aktuell noch im Oktober in meinem Terminplan und dann war es das schon wieder mit der Saison. Bis April nächsten Jahres ist bisher erst eine Hochzeit geplant.
Der finanzielle Corona-Schaden als DJ
Im Best-Case hätte ich dann dieses Jahr 7 Veranstaltungen statt ca. 37 gespielt. Das ist ein finanzieller Schaden von ca. 22.000 € brutto, die ich dieses Jahr nicht eingenommen habe. Hinzukommt, dass alle Hochzeiten für den selben Preis in das nächste Jahr verlegt wurden, in welchem ich eigentlich für durchschnittlich 100 € mehr pro Abend gespielt hätte. Das wären dann nochmal weitere 3000 €, die ich nächstes Jahr weniger verdiene. So hat mich persönlich Corona schon jetzt um 25.000 Euro gebracht – nur was das Event-DJing angeht. Als Musikproduzent möchte ich gar nicht wissen, was hätte sein können. Ich bin Mitglied eines Musik-Acts, der dieses Jahr im Bootshaus in Köln, dem angesagtesten Club Deutschlands, gespielt hätte, auf der Tournee von Scooter das Vorprogramm gespielt hätte und auch die Festivals hatten uns dieses Jahr durchaus auf dem Schirm gehabt.
Auf der anderen Seite stehen 300€ Kindergeldbonus und 600 € Hartz4, für welche ich 4 Arbeitstage aufgewendet habe, nur um die Formulare auszufüllen und um alle Unterlagen zusammen zu bekommen. Rückblickend hat sich dieser Antrag nicht gelohnt. Ich hätte lieber Videos produzieren sollen, da hätte ich mehr verdient, das hätte mehr Spaß gemacht und ich hätte dem Staat keine Kosten gemacht.
DJ „nach“ Corona – ein Beruf mit Aussicht?
Wird es jemals wieder besser werden? Ändert sich vielleicht von nun an sogar der Maßstab?
Klar können wir mit solchen Maßnahmen Infektionen verringern. Aber zu welchem Preis? An oder mit Corona werden, wenn es so weitergeht, dieses Jahr ca. 10.000 Menschen sterben. Manche, vor allem die Medien, reden zwar jetzt schon von der zweiten Welle, allerdings tut sich bei den Todeszahlen ziemlich wenig (Quelle: Wikipedia) und bei einer Verdopplung der Corona-Tests wundere ich mich persönlich nicht über eine Verdopplung der Fallzahlen.
Die Grippewelle 2017/2018 hat in Deutschland laut Ärtzteblatt über 25.000 Menschen das Leben gekostet. Heißt das, dass wir nun jedes Jahr zur Grippesaison Clubs, Urlaub und Parties verbieten? Mit dem Mundschutz habe ich kein Problem. Lasst uns von mir aus jetzt jedes Jahr zur Grippesaison im öffentlichen Raum so einen tragen und es in den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Pflicht machen – das wäre mir echt egal. Wenns hilft… Ich leide vor allem unter dem Feierverbot und das nicht nur finanziell. Musik, vor allem elektronische Musik ist mein Leben und diese findet nunmal ausschließlich auf Feiern, in Clubs und auf Festivals statt.
Ich sehe aktuell nichts, dass passieren könnte, damit die Politik und die Menschen wieder sagen „Alles klar – lasst uns wieder feiern. DJ, turn up the bass!“. Selbst wenn es einen Impfstoff ab 2021 geben sollte, würde dies nichts an der aktuellen Problemsituation ändern. Für die Grippe gibt es auch einen Impfstoff und trotzdem haben wir jedes Jahr eine Grippewelle, die tausenden von Menschen das Leben kostet und auch hier ist jeder Mensch der stirbt ein Mensch zuviel. Das hat bisher allerdings niemanden genug gestört, um dafür die gesamte Veranstaltungsbranche lahm zu legen.
Auch wird es nicht reichen, wenn die Zahlen weiterhin tief bleiben. Die Todeszahlen sind seit Anfang Juni, also schon drei Monate, gleichbleibend niedrig (Quelle: Wikipedia), trotz einer komplett mundschutzlosen Durchmischung des Volkes auf Demos verstrahlter Menschen, in den Schulen, Kitas und im privaten Umfeld. Wenn wir ehrlich sind, dann umarmen wir doch unsere Freunde und jüngeren Familienmitglieder fast alle schon wieder. Den Handschlag bekommst du auch einfach nicht tot. Gerade bei den älteren Herrschaften ist dieser unglaublich fest in den Gewohnheiten verankert. Ich sehe sehr selten Leute wirklich in ihre Armbeuge niesen oder husten und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Leute sich immer noch so fleißig die Hände waschen, wie am Anfang. Trotzdem bleibt die Katastrophe aus und die Zahlen bleiben sehr übersichtlich. Es wäre Zeit für den nächsten Schritt.
Was soll denn passieren, damit es weitergehen kann? Es gibt nichts und es wird nichts passieren. Deswegen müssen wir uns einfach immer weiter trauen. Immer weiter aufmachen, Stück für Stück und auch das Risiko eingehen eventuell einen Schritt zu weit zu gehen. Dann lasst es uns halt wieder zurückfahren, soweit wie es gut ging. Dieser Stillstand seit Monaten, obwohl die Zahlen konstant tief bleiben ist einfach nicht zu ertragen. Ich sehe aktuell keine Perspektive.
Wenn Du noch einen DJ für Dein Event benötigst, dann melde Dich gerne bei mir, damit wir schauen können, ob ich Deinen Termin noch frei habe!